Montag, 30. November 2009
Part 2: Surreal
Surrealismus beherrscht mein Leben.
Ich gehe Einkaufen, gehe über die Straße, die Treppen meines Wohnhauses auf und ab, laufe über die meterlangen Gänge meines Arbeitsplatzes und kann dennoch die Stunden zählen, in denen dies lediglich noch möglich sein wird.
Ich laufe. ICH KANN LAUFEN!!!
...und doch höre ich es Nachts in meinem Gelenk - in Beiden verflucht nochmal - knacken. Nachts, wenn jede Möglichkeit der Ablenkung verschwunden ist und Stille herrscht.
Ja ich hab Schmerzen, aber sind die nicht harmlos, im Vergleich dazu wieder ein Krüppel zu sein? Nicht laufen zu können? Monate lang im Bett zu liegen? In einem Rollstuhl sitzen zu müssen?
Mein Arzt sagt Nein, denn mein linkes, noch unbehandeltes Gelenk sei eine tickende Zeitbombe. Ich fühle Nichts davon. Ich erlebe mich in dem jetzigen Zustand als funktionstüchtig - scheiß auf den Schmerz!!!- und weiß, sobald die OP stattgefunden haben wird, wird all das zerstört sein.
Die letzten Wochen und Monate war ich tanzen, habe gefeiert, Pläne geschmiedet. Und jetzt, von einem auf den anderen Tag, durch ein verfluchtes Röntgenbild, soll Alles unmöglich geworden sein??? Ich laufe doch verdammt noch mal! Ein Umstand den ich nicht begreifen will und doch kriecht die Wahrheit wie eine Art giftiges Gas , ganz langsam in jeder ruhigen Sekunde immer tiefer in mich hinein. Schicht um Schicht, bis sie irgendwann meinen Kern erreicht haben wird, den ich zur Zeit noch mit aller Kraft versuche zu schützen. Noch will ich so viel wie möglich verdrängen, denn ansonsten bin ich dem Alltag nicht gewachsen.
Mein linkes Bein, das ich die Monate zuvor konsequent aus meinem Schmerzbewusstsein ausgeblendet hatte, tut nun von Tag zu Tag mehr weh. Es knackt, es blockiert.
Doch was vielleicht genauso schlimm oder vielleicht sogar noch schlimmer ist, ist das auch das Rechte keine Besserung zeigt!
Seit die Spritzentherapie letzte Woche begonnen hat, empfinde ich sogar phasenweise einen größeren Schmerz als je zuvor. Gestern wollte ich das Problem bei meinem Arzt erwähnen, als ich zur Spritze Nr.2 und eigentlich einer Lagebesprechung bezüglich MRT und OP-Termin bei ihm war. Doch mein Doc war leider sehr gehetzt und ich ja eigentlich auch nur für eine Injektion vor Ort.(Ich würde ja fort an die nächsten 6 Wochen ebenfalls regelmäßig ein Mal pro Woche auf der Matte stehen) Doch auf Grund der einzelnen Fragen und ich denke auch auf Grund meiner zur Zeit doch recht bedrückt wirkenden Gesamterscheinung, versuchte er mich, mit vielen guten Worten zwischen Tür und Angel, aus meinem Tief zu holen. Ich solle das tun wonach mir ist und was mein Körper zulässt, die Zeit noch nutzen! Nicht um mir den Kopf zu zerbrechen, sondern um ihn frei zu bekommen. Etwas, was ich mir noch am selben Abend vielleicht zu sehr zu Herzen nahm...
Bezüglich eines MRTs für die rechte Seite habe ich mir dieses Mal meine Frage gespart. Denn die Antwort hatte ich schon zu oft zuvor erhalten. Nämlich, dass das Alles klärende MRT für Rechts zur Zeit noch nicht möglich sei, da man immer noch nichts erkennen würde (und deshalb solch ein MRT auch nicht von der Kasse bezahlt werden würde). Allerdings ist es mein erklärtes Ziel ein MRT für meine rechte, bereits operierte Seite noch VOR der zweiten OP, die ja nach aller Wahrscheinlichkeit Anfang März sein wird, zu bekommen! Denn ich habe ein verdammt mieses Gefühl und brauche einfach Gewissheit!
Hier und jetzt wird es das letzte Mal sein, dass ich laut diese Äußerung ausspreche, denn ich will nicht erneut zu unrecht als Hypochonder abgetan werden, solch ein Gefühl muss man nicht mehrmals in seinem Leben haben, doch ich bin mir fast sicher, dass die erste OP an meinem rechten Gelenk fehlgeschlagen ist! Denn die Schmerzen, im nachweisbar zerstörten linken Gelenk und im angeblich geheilten Rechten, sind identisch!
Ich vermute, dass mein Arzt vorerst die Symptome die darauf hinweisen konsequent ignoriert, da es nach seinen Worten nicht passieren darf, dass mir beide Beine zur gleichen Zeit weg brechen.
Ich bin 24 Jahre alt und tanze für mein Leben gern....
Noch immer weiß nicht jeder von der erneuten Erkrankung. Weil ich es so will. Um Probleme aufzuschieben, denen ich mich jetzt nicht stellen kann und will. All das wird früh genug über mich einbrechen, doch dadurch hat eine absurde Zwangsschizophrenie Einzug in mein Leben gehalten. Innerlich sehe ich Schwarz, doch äußerlich treffe ich täglich auf Menschen, die mich anlächeln und mir Sätze sagen wie:
"Siehst du, war doch alles nicht so schlimm", "Da hast du doch echt nochmal richtig Glück gehabt", Mensch siehst du toll aus und so glücklich!", "Es ist so schön dich wieder laufen zu sehen!", "Hättest selbst nicht gedacht, dass das alles so gut ausgeht,oder?"... und ich lächle zurück. Lächle und nicke. weil ich aus den verschiedensten Gründen über den Wahren Stand der Dinge einfach nicht reden kann.
Ich laufe durch die Welt, lächle, nicke, freue mich mit den anderen Menschen über meine zurückgewonnene Gesundheit...Morgen ist die Weihnachtsfeier meines Arbeitgebers, dort wird das Schauspiel seinen geschmacklosen Höhepunkt erreichen!
Und aus Surrealismus wird berechnende Schizophrenie.
Ein Zustand den ich nur bedingt ertragen werden kann. Doch wie lange wird er anhalten? In spätestens 3 Monaten ist die OP und ab da mein altes Leben, mit seinen Wünschen, Plänen, Vorstellungen und Lebensweisen nicht mehr möglich. Für lange Zeit, vielleicht für immer. Spätestens dann wird die nackte Realität nicht mehr zu beschönigen sein.
Nächste Woche heißt es auf in Runde Drei der Spritzentherapie. Dieses Mal mit dem Einsatz der Hyaluronsäure und auch das MRT ist schon zum greifen nah.
Des Messers Schneide direkt vor mir und ich habe keine andere Wahl als mit vollem Bewusstsein mich hinein zustürzen...
...2BeContinued...
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